Artwork zu Death Stranding 2: On the Beach. (R): Kojima Productions

Sam Porter Bridges ist zurück – und trägt mehr als je zuvor

sebcheck: Death Stranding 2: On the Beach

Artwork zu Death Stranding 2: On the Beach. (R): Kojima Productions
Artwork zu Death Stranding 2: On the Beach. (R): Kojima Productions

Es ist wieder so weit. Kojima hat geliefert. Und zwar schwer. Death Stranding 2: On the Beach ist mehr als nur die Fortsetzung eines polarisierenden Spiels – es ist der Beweis dafür, dass Vision und Verbesserung sich nicht ausschließen müssen. Drei Jahre nach der Enthüllung und über fünf Jahre nach dem Release des ersten Teils hat Kojima Productions ein Spiel vorgelegt, das gleichermaßen vertraut wie neu wirkt.

Der erste Teil war mutig – für manche zu langsam, zu eigen, zu verschroben. Hat mir zwar gefallen, aber ich habe mich zwischendurch auch sehr schwer damit getan. Aber er hatte Herz, Stil und Substanz. On the Beach nimmt diesen Kern, glättet die Reibung, fügt Dynamik hinzu – und bleibt doch Kojima pur. Die Bewertung auf Metacritic liegt bei starken 89 Punkten, während OpenCritic das Spiel mit 91 bewertet und eine beeindruckende Weiterempfehlungsquote von 96 Prozent verzeichnet. Das ist mehr als ein Score – das ist ein Statement.

Der finale Trailer zu Death Stranding 2: On the Beach:

Und wer dachte, Death Stranding sei ein einmaliges Experiment gewesen, bekommt jetzt etwas ganz anderes gezeigt: ein dichtes, künstlerisch geführtes, stilistisch kompromissloses Franchise mit einer klaren Vision. Jede Menge Kojima eben.

Gameplay: Brücken, die man gerne geht

Das zugrunde liegende Spielprinzip ist bekannt: Sam Porter Bridges trägt Dinge von A nach B, überquert Täler, erklimmt Höhen und verbindet Menschen. Doch dieses Mal fühlt es sich weniger nach Arbeit und mehr nach Abenteuer an – und das hat viele Gründe.

Die Navigation durch die Welt wurde spürbar verbessert. Steigungen sind weniger frustrierend, die Routenführung wirkt natürlicher, und das Gelände reagiert dynamischer auf den Spieler. Zahlreiche Stolpersteine wurden entfernt oder sinnvoll entschärft. Fahrzeuge spielen dabei eine größere Rolle. Allen voran Sams neues, mobiles Zuhause: die DHV Magellan. Sie dient nicht nur als Transportmittel, sondern auch als rollende Basis, die Schnellreisen ermöglicht, Ressourcen speichert und in brenzligen Situationen Schutz bietet.

Die Umwelt hat ebenfalls an Tiefe gewonnen. Neue Gefahren wie Sandstürme, Erdbeben oder sich spontan öffnende Targruben machen jede Reise unvorhersehbar. Der Spieler ist gezwungen, seine Route spontan anzupassen, die Umgebung neu zu lesen, Risiken einzuschätzen und manchmal auch einfach improvisierend zu handeln.

Die Bedrohung durch die zwischenweltlichen BTs wurde erweitert. Diese Wesen treten jetzt in neuen, gefährlicheren Variationen auf, sind aggressiver und erfordern strategisches Umdenken. Gleichzeitig wurde das Arsenal an Hilfsmitteln deutlich ausgebaut. Neben klassischen Waffen gibt es spezialisierte Tools wie Scharfschützen-Betäubungsgewehre oder neuartige Anti-BT-Munition. Besonders gelungen ist, dass viele Waffen nun auch gegen BTs effektiv einsetzbar sind – das sorgt für ein greifbares Gefühl der Kontrolle und Kraft.

Das Stealth-System wurde deutlich verfeinert und erlaubt ein vielschichtigeres Vorgehen. Wir können uns frei entscheiden, ob wir laut oder leise vorgehen wollen. Besonders bemerkenswert ist dabei die Tatsache, dass selbst Bosskämpfe optional geworden sind – wer möchte, kann sie umgehen. Das ist mutig und spricht für ein hohes Vertrauen in die individuelle Spielerführung.

Die Online-Komponente bleibt ein Herzstück des Spiels. In gewohnter asynchroner Manier errichten wir weiterhin Straßen, Brücken, Lagerräume oder Monorails – dieses Mal unterstützt durch ressourcenerzeugende Minen. Diese Strukturen bleiben bestehen und können von anderen Spielern genutzt, bewertet und ausgebaut werden. Das ikonische „Liken“ ist nicht nur eine nette Geste, sondern mechanisch verankert – eine echte Verbindung, digital und emotional.

Die Story – ein emotionaler Kraftakt

Die Geschichte von Death Stranding 2 nimmt sich Zeit. Über rund 90 Stunden entfaltet sie ein komplexes Geflecht aus persönlichen Dramen, metaphysischen Fragen und gesellschaftlicher Kritik – und bleibt dabei erstaunlich greifbar.

Sam ist nicht mehr nur Bote, sondern Vater. Seine Beziehung zu seiner Tochter bildet den emotionalen Kern des Spiels. Fragile, eine der Schlüsselfiguren aus dem Vorgänger, rekrutiert ihn für die Organisation Drawbridge – eine Art X-Men-Kollektiv mit übernatürlichen Fähigkeiten, das neue Knotenpunkte zwischen Regionen schaffen soll.

Die Reise führt Sam von Mexiko bis nach Australien – und damit in visuell wie strukturell sehr unterschiedliche Regionen. Die Welt ist vielfältiger, unberechenbarer und vor allem gefährlicher. Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Teerseen, aber auch bizarre Phänomene wie Spinnenschwärme oder ätherische Mechs machen jeden Ort einzigartig.

Die neuen DOOMS-Kräfte sind nicht bloß erzählerisches Beiwerk, sondern direkt ins Gameplay integriert. Tarman etwa kann die Magellan durch Teerseen teleportieren, während Dollman Feinde aufspürt. Heartman, einst selbst nur Beobachter, wird zur aktiven Figur mit einzigartiger Perspektive. Diese Fähigkeiten sind nicht nur narrativ spannend, sondern auch spielmechanisch sinnvoll und durchdacht.

Troy Baker als Higgs ist erneut ein Höhepunkt. Seine Darstellung oszilliert zwischen manischer Energie und messianischer Theatralik. Er ist kein bloßer Antagonist, sondern eine kraftvolle, bedrohliche Figur mit echter Präsenz.

Kojima verwebt weiterhin seine vertrauten Themen: Isolation, Familienbindung, posthumanistische Ängste und Kritik an moderner Technologie. Dabei bleibt der Ton ernst, aber nie schwerfällig – und vor allem stets persönlich.

Visuelle Brillanz: Eine Welt, in der man verweilen will

On the Beach zählt zu den schönsten Spielen dieser Konsolengeneration. Und das liegt nicht nur an der reinen Technik, sondern auch an einer künstlerischen Vision, die ihresgleichen sucht. Die Umgebungen sind so gestaltet, dass man sie regelrecht fühlen kann. Felsformationen wirken haptisch, Vegetation reagiert subtil auf Wind und Wetter, und das überarbeitete Himmelssystem sorgt für dramatische Lichtstimmungen. Dynamische Effekte wie Regen, Sturm oder Tarregen sind nicht nur visuell eindrucksvoll, sondern beeinflussen auch das Gameplay.

Reflexionen, Schatten, Nebel – alles wurde verbessert, ohne übertrieben zu wirken. Besonders beeindruckend sind die Charaktermodelle. Hauttexturen, Augen, Haare – jedes Detail trägt zur Illusion bei, es mit echten Menschen zu tun zu haben. Das Artdesign schwankt bewusst zwischen bizarr und berührend. Die Geister-Mechs etwa sind kantig, düster und majestätisch zugleich. Jeder Bosskampf ist inszenatorisch ein Höhepunkt – dramatisch, theatralisch und stilistisch einzigartig. Das Spiel fühlt sich an wie ein Gemälde, das sich ständig verändert.

Akustische Immersion: Zwischen Stille und Soundgewalt

On the Beach läuft ausschließlich auf der PlayStation 5 – und das merkt man in jedem Pixel.

Die Performance ist stabil. Im Qualitätsmodus bleibt das Spiel konstant bei 30 Bildern pro Sekunde, während der Performance-Modus flüssige 60 fps liefert – beides gestochen scharf und visuell überzeugend. Ladezeiten sind so gut wie nicht vorhanden, Übergänge verlaufen nahtlos, und das Spielgefühl bleibt stets unterbrechungsfrei.

Selbst auf der PS5 Pro bleiben beide Modi nahezu identisch – ein Zeichen, dass Sony sein Versprechen der kompromisslosen Pro-Leistung eingehalten hat. Die technische Umsetzung wirkt durchdacht, tief optimiert und zukunftssicher.

Kleinere Schwächen existieren dennoch: Ambient Occlusion kann Flecken verursachen, Reflexionen zeigen leichte Artefakte und mittelweit entfernte Texturen sind hin und wieder niedrig aufgelöst. Doch diese Mängel bleiben Randnotizen in einem ansonsten beeindruckenden technischen Gesamtpaket.

Ein Spiel, das Brücken schlägt – und Herzen

Death Stranding 2: On the Beach ist kein Spiel, das jedem gefallen will. Es ist vielmehr ein Erlebnis für all jene, die sich auf eine ungewöhnliche Reise einlassen möchten. Kojima beweist, dass selbst das sperrigste Konzept durch entschlossene Weiterentwicklung und liebevolles Balancing eine breitere Öffentlichkeit ansprechen kann, ohne seine künstlerische Identität aufzugeben.

Die Straffung der Mechaniken sorgt dafür, dass das Traversal nicht mehr zäh wirkt, sondern nach jedem Schritt Lust auf den nächsten macht. Die ausgebaute Fahrzeugnutzung, die cleveren DOOMS-Kräfte und die stärker editorial eingebundenen Kämpfe ergänzen die ruhigen, meditativen Passagen perfekt. So entsteht ein ständiges Wechselspiel aus Spannung und Ruhe, aus Aktion und Kontemplation.

Erzählerisch ist Sam Porter Bridges in seiner neuen Rolle als Vater faszinierend facettenreich. Die persönliche Entwicklung des Protagonisten verleiht der apokalyptischen Welt eine menschliche Dimension, die durch die filmische Inszenierung und die charismatische Performance von Norman Reedus noch unterstrichen wird. Die Themen Isolation, Verbindung und die Macht menschlicher Beziehungen bleiben hochaktuell und verleihen dem Spiel eine zeitlose Relevanz.

Visuell und akustisch ist On the Beach eine Offenbarung. Jede Umgebung möchte erkundet werden, jeder Sound will gehört und empfunden sein. Technik und Design verschmelzen zu einer lebendigen, atmenden Welt, in der man sich nur allzu gerne verliert. Einige werden die narrative Länge, die umfangreichen Cutscenes oder die gelegentliche Wiederholung von Traversal-Elementen kritisieren. Doch gerade in diesen Momenten zeigt sich die Stärke des Spiels: Wer sich fallen lässt, entdeckt in den Wiederholungen Nuancen, Emotionen und Themen, die an der Oberfläche kaum erkennbar wären.

Für Fans des ersten Teils ist On the Beach eine konsequente Fortsetzung und eine Hommage an alles, was das Original so besonders machte. Skeptiker finden hier eine Einladung, das Konzept noch einmal ganz neu zu erleben. Und für Einsteiger ist dies vielleicht die beste Gelegenheit, in ein Universum einzutauchen, das sowohl bizarr als auch zutiefst menschlich ist.

Bleibt also festzuhalten: Death Stranding 2: On the Beach ist ein mutiges, eigenständiges Kunstwerk – ein Spiel, das Grenzen verschiebt, Brücken schlägt und lange nachhallt. Es ist ein Meisterwerk der PS5-Generation, ein visionärer Wurf und ein emotionaler Leuchtturm, der in der Flut gleichförmiger Blockbuster leuchtet. Wer bereit ist, sich auf Sams Reise einzulassen, wird nicht enttäuscht werden.

Noch mehr Content? Klar!

Im Laufe der Jahre kommt da einiges zusammen – vielleicht ist auch für dich noch mehr dabei?

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